Eine unsägliche Skulptur »verschönert« seit Mai 2007 den Berliner Hauptbahnhof und zeugt vom doch eher etwas sehr provinziellen Geschmack des Herrn Mehdorn. Das silbrig glänzende Monstrum schaut schon aus der Ferne gruselig aus, geht man näher heran, sieht man, dass das überdimensonale Pferd mit nur drei Beinen, davon eines mit Klumpfuß, auch noch zwei sich drehende Kugeln birgt. Das Ganze steht auf einem riesigen Sockel, der durch runde Fenster den Blick auf einige Reste des alten Lehrter Bahnhofs freigibt.
Damit der Reisende der Bahn auch versteht, was ihm der Künstler sagen will, lesen wir auf einer Tafel am Sockel: »Das Kunstwerk mit seinen hochwertigen Fertigungsmaterialien und seinen beweglichen Hightechmonumenten verkörpert die Mobilität des Menschen im Laufe der Zeit und bringt die lange Verkehrstradition der deutschen Hauptstadt zum Ausdruck«. Und damit uns unsere Freunde aus dem Ausland auch verstehen, gibt es den Text auch noch in englisch.
In viel kleiner – sagen wir mal so 15 cm hoch – könnte ich mir das gut als Urlaubsmitbringsel vorstellen, das mit anderem Kitsch und Nippes auf der Kredenz seinen Platz finden würde. Aber am Hauptbahnhof? Nein danke, Herr Mehdorn! Sogar die Berliner Morgenpost schreibt: »Kunst für Menschen, die Kunst nicht mögen«.
Ach so, das hätte ich fast vergessen: der Schöpfer der Skulptur ist Professor Jürgen Goertz, er hat ihr den schönen englischen Namen »Rolling Horse« gegeben; sehr clever, er kennt den Newspeak, der auf Deutschlands Vorstandsetagen ankommt – hätte er sie schlicht »Rollendes Pferd« genannt, stünde sie möglicherweise jetzt nicht hier. Er hat schon andere Städte und Firmen mit ähnlichen Großskulpturen beglückt, auch mit Pferden. Darunter auch die größte Pferdeskulptur der Welt mit dem bedeutungsschwangeren Namen »S-Printing Horse«, die Herr Mehdorn für die Heidelberger Druckmaschinen AG in Auftrag gab, als er dort noch Chef war. Nicht nur der Auftraggeber ist der selbe, die Berliner Skulptur weist durchaus einige Ähnlichkeiten mit der Heidelberger auf.
Und was sagt Herr Mehdorn bei der Einweihung? »Mir gefällt das insofern, als wir hier die Symbiose gemacht haben zwischen der Vergangenheit der Kriegsnacht wo alles zerstört ist und der dynamischen Zukunft. Und der Künstler der macht das schon gut und ich glaube ich bleib dabei: Das ist der I-Punkt für den Hauptbahnhof.« Und der Herr Professor Goertz: »Statik und Bewegung, Stillstand und Mobilität ist glaube ich ein wichtiger Faktor bei der Bahn also: Der Zug der vorbei fährt ist gut aber der Zug der hält ist genauso gut. Also ist Stillstand und Bewegung in eins schon ein passendes Motiv.« Wofür braucht es da noch ein Kabarett.
Der Vorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstler Berlins, Herbert Mondry, empfindet die Skulptur als »Misshandlung des öffentlichen Raumes«. Darüber hinaus kritisiert er, dass es weder eine Ausschreibung noch eine fachkundige Jury für die Auswahl eines Kunstwerks gegeben habe – durchaus unüblich für Unternehmen der Größenordnung der Bahn, die zudem auch noch in öffentlichem Besitz ist. Prominente Kunstkenner forderten deshalb in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten einen neuen, seriösen Wettbewerb mit einer sachkundigen Jury.
Europaplatz, Am Hauptbahnhof, 10557 Berlin
Kritik des bbk im Tagesspiegel: Plastik am Hauptbahnhof ist Schlag ins Gesicht
Da gab es ja eine gewisse Kontinuität:
Der Herr Mehdorn hat erst die Heidelberger Druckmaschinen AG zugrunde gerichtet, dann die Bahn, na ja, beinahe.
Da ist er noch rechtzeitig abgelöst worden.
Was ich nie verstanden habe ist, wieso man einen solchen Versager immer wieder als *Sanierer* eingesetzt hat (AirBerlin, Flughafen) anstatt ihn zu teeren und zu federn und aus dem Tor zu treiben ….