Der 2006 zum ersten Mal verliehene Deutsche Brückenbaupreis wird alle zwei Jahre von der Bundesingenieurkammer (»Kein Ding ohne Ing.«) und dem Verband beratender Ingenieure vergeben, »um den Beitrag der Ingenieure zur Baukultur stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken«. Keine schlechte Idee, denn wenn man genau hinschaut, bemerkt man, dass viele dieser eigentlich reinen Funktionsbauten ganz oft auch wunderbare Beispiele gelungener Architektur sind. Gerade in Berlin sind in den Jahren nach der »Wende« viele schöne neue Brücken entstanden, von denen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einige in der Broschüre „ÜberBrücken“ und auch online vorstellt.
2008 wurde die Humboldhafenbrücke mit diesem Preis ausgezeichnet. Der verantwortliche Ingenieur, Prof. Dr.-Ing. Jörg Schlaich, durfte die Preisskulptur im Rahmen eines Festaktes an der TU Dresden entgegennehmen. Seitdem hängt auch das Hinweisschild auf den Preis am Lehrter Bahnhof.
Eigentlich ist es ja nicht nur eine Brücke, die hier Moabit und Mitte miteinander verbindet, sondern vier nebeneinander liegende. Die Brücke ist rund 240 Meter lang, die sich auf sechs Bögen erstrecken, deren größter mit 60 Meter den Hafen überspannt. Ungewöhnlich ist der Materialeinsatz, der das sonst übliche auf den Kopf stellt: Träger aus Stahl unten und die Fahrbahn aus Beton oben. Das ermöglicht für eine Brücke solcher Tragfähigkeit ein recht filigranes Erscheinungsbild.
Mein persönlicher Liebling von Jörg Schlaich ist der Killesbergturm, ein schönes, schlichtes und wunderbar elegantes Bauwerk in bester Schlaichscher bzw. Leonhardtscher Tradition.
Und den La-Ferté-Steig? Wie findest du den?
Naja – ein sehr eleganter und leichter Schwung über die Haldenrainstraße. Aber für meinen Geschmack etwas zu betonlastig und deshalb an den Stützen zu klobig.
Hast du dir mal den Preisträger 2008 angeschaut – die Dreiländerbrücke in Weil am Rhein? So schön können Ingenieure planen.
Es sind mit Sicherheit Stahlverbundstützen – sprich sie sind mit Beton ausgegossen. Sicher ist dieser Preis eine feine Sache, und auch der Sache dienlich wieder ordentliche Brücken zu bauen, aber neben diesen Schmuckstücken sieht die Realität leider schlimm aus, mir schwant furchtbares bei der Sanierung der div. Hochbahnen in Berlin – frei nach dem Motto Hauptsache es hält, siehe Brücke über den Kanal am Gleisdreieck.
Oh ja, vor den sanierten Hochbahnbrücken hab ich auch Angst.
Bei 660 mm Durchmesser und 100 mm Wandstärke braucht es wahrscheinlich keine Betonfüllung.
Mit “Brücke über den Kanal am Gleisdreieck” meinst du die, die über die Fußgängerbrücke geht, deren Pfeiler die Schriftzüge ANHALT und BERLIN tragen? Bilder bei bliverbau.de (ein bisschen nach unten rollen).
Hm – der Brandschutz könnte Beton erforderlich machen.
Ja, die Brücke meine ich, deren festes Lager in einem Betonfuß steckt – man könnte vermuten Die Mafia stand Designpate, oder das Motiv war “Hund mit einer gebrochenen Pfote” – in jedem Fall grobschlächtig.
Ok, ist Gussstahl das ganze Teil
Zum Anhalter Steg schreibt die Berliner Zeitung sehr schön: “Entstanden ist ein eklektizistisches Brückentransplantat, das vorgibt historisch zu sein und tatsächlich Geschichtsklitterung ist”.
Ich platze vor Neid, wenn ich die Projekte und die real existierenden Brücken neueren Datums im Rhein-Main-Gebiet ansehe.
Weil am Rhein zählt wohl nicht mehr zu Rhein-Main? Du kannst ja trotzdem mal hinfahren (ist jedenfalls näher an Wiesbaden als an Berlin) und diese schöne Brücke besichtigen (der andere Preisträger des Jahres 2008), die Wassily oben schon erwähnte: Dreiländerbrücke
Weil am Rhein ist ein scheußlich- schauriges Städtchen an der Grenze zur Schweiz, bekannt vor allem durch die langen LkW-Staus. Aber auf einer Fahrt in die Schweiz oder nach Italien lohnt sich ein Stopp:
– im großartigen Vitra-Design-Museum
– im Factoryoutlet am Bahnhof
– und neuerdings auch an der Dreiländerbrücke
Es ist ja schon lustig, daß ich ausgerechnet vor eine paar Wochen aus relativ gleicher Nähe zum Killesberg-Turm in die Nähe der Humboldthafenbrücke gezogen bin … ??? 😉 Schlaich beschäftigt übrigens auch außerhalb der Technik hervorragende Künstler und Künstlerinnen, DAS merkt man!
Ach, der Umzug ist inzwischen vollzogen, willkommen!