Straße der Erinnerung

Das Gebäude an der Spree, das man ab und zu im Fernsehen sieht, wenn vom Innenministerium die Rede ist, ist nicht etwa Eigentum des Bundes, sondern gehört der Freiberger-Holding, von der es der Bund zu großen Teilen bis 2017 für das Ministerium gemietet hat.

Freiberger-Bau am Spreebogen

Ernst Freiberger, der als Pizzakönig mit seinem früheren Unternehmen (Motto »The convenience food group«) reich geworden ist, hat über die von ihm gegründete gleichnamige Stiftung in den letzten Jahren am Uferweg zwischen diesem Gebäude und der Spree ein Reihe von Portraitbüsten aufstellen lassen. Zu jeder der dort dargestellten Personen erschien im be.bra-Verlag eine Monographie.

Das erste Denkmal wurde im Januar 2002 enthüllt und ist Albrecht Haushofer gewidmet, der während seiner Haft im Moabiter Zellengefängnis die Moabiter Sonette verfasst hat und von den Nazis im April 1945 ermordet wurde (seine Grabstätte ist unweit des Denkmals auf dem Friedhof Wilsnacker Straße). Lange Zeit stand es hier als Solitär, bis am 22. Juni 2005 aus Anlass seines 95. Geburtstags die Büste von Konrad Zuse folgte, Erfinder des Computers und der ersten Programmiersprache. Der Zusammenhang zwischen Haushofer und Zuse erschloss sich mir damals nicht, beiden gemein erschien mir lediglich, dass sie einem breiten Publikum wohl eher unbekannt sind.

Straße der Erinnerung  Straße der Erinnerung
Albrecht Haushofer, Schriftsteller; Konrad Zuse, Computer-Pionier

Am 18. September 2006 wurde das Denkmal für Walther Rathenau mit einer Kopie der 1908 von Hermann Hahn gestalteten Büste eingeweiht, der am 4. Juli 2007 das Denkmal für Thomas Mann folgte.

Straße der Erinnerung  Straße der Erinnerung
Walther Rathenau, Unternehmer und Reichsaußenminister; Thomas Mann, Schriftsteller

Um den Jahreswechsel 2007/2008 kam die Büste von Ludwig Mies van der Rohe, die der Berliner Bildhauer Rolf Biebl schuf. Dem schwäbischen Tischler Georg Elser, der als Einzeltäter ein gescheitertes Attentat auf Hitler verübt hat, hat die Freiberger-Stiftung am 24. September 2008 das sechste Denkmal gewidmet. Die Laudatio hielt Wolfgang Schäuble.
Straße der Erinnerung  Straße der Erinnerung
Ludwig Mies van der Rohe, Architekt; Georg Elser, Widerstandskämpfer

Beim Denkmal für Edith Stein, zu dessen Enthüllung am 25. März 2009 Anette Schavan das Grußwort sprach, konnte ich mich des Gedankens kaum erwehren, ob sie wohl die Alibi-Frau inmitten der verdienten Herren darstellen sollte, ganz so, als ob ein Berater Herrn Freiberger gesagt hätte, er müsse auch eine Frau in die Reihe seiner »Helden ohne Degen« aufnehmen. Die eindrucksvolle Plastik schuf der Düsseldorfer Bildhauer Bert Gerresheim.
Straße der Erinnerung
Edith Stein, Philosophin

Vor wenigen Tagen, am 14. Oktober 2009, wurden nun zwei Tafeln auf Granitblöcken installiert, die die Sammlung von Büsten als „Straße der Erinnerung“ auszeichnen. (Die Tafeln mit dem falschen englischen Text “Road of Rembrance” wurden später gegen neue ohne diesen Fehler getauscht).

Straße der Erinnerung  "Wir sind das Volk"

Auf den Tafeln lesen wir: Hier ehrt die Ernst Freiberger-Stiftung deutsche Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Politik, die Großes geleistet haben und für Freiheit und Menschenwürde eingetreten sind. Insgesamt sollen hier zwölf Büsten aufgestellt werden.
Gleichzeitig mit den Tafeln wurde das Denkmal »Wir sind das Volk« des Bildhauers Rolf Biebl eingeweiht. Mir gefällt es weder als Einzelkunstwerk so gut, noch scheint es mir vom Erscheinungsbild und der Aussage nach in den Rahmen der Sammlung der bislang sieben Portraitbüsten zu passen, die doch ganz klar benannte Individuen würdigen.


Straße der Erinnerung
Spreebogen zwischen Kirchstraße und Stromstraße, 10559 Berlin

www.freiberger-stiftung.de
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9 Antworten auf „Straße der Erinnerung“

  1. Ach Vilmos, diesen Ort hatte ich auch schon lange auf dem Plan…
    Als “Helden ohne Degen” werden die Dargestellten von der Freiberger-Stiftung bezeichnet. Schöne Erwiderung auf die vielen Dankmäler von Helden mit Degen, die so zahlreich über die Stadt verteilt sind. Allerdings ist die Klammer schon sehr weit gefasst und die Zusammenstellung kommt mir ein wenig beliebig vor.

  2. Ja, das geht mir ähnlich. Mir fiel auch kein so recht passender Kommentar zum Gesamtkonzept ein, darum ist der Beitrag auch ein wenig textarm geworden. Vielleicht kommt ja später noch eine Erleuchtung.

  3. mir geht’s ähnlich mit der Beliebigkeit. Danke für Deinen Beitrag vilmos. Aber was ich nun noch mal gerne hinterfragen möchte, sind die Eigentumsverhältnisse: Du hast die webseite der Freiberger-Holding eingebunden, schaut man jetzt aber auf die Homepage des österreichischen Immobilienfonds CA Immo (der vor einigen Jahren die Vivico komplett mit allen ehemaligen Bahngrundstücken von der Bundesregierung gekauft hat) so findet sich der Spreebogen dort unter “Ertragsobjekte Deutschland” an dritter Stelle. Angegeben wird Eigentumsanteil 100 %. Also wem gehört das ganze Grundstück?

    1. Interessant und etwas undurchsichtig, bei Freiberger taucht es unter Liegenschaften auf und bei spree-bogen.de wird im Impressem Freiberger Grundbesitzverwaltung GmbH angegeben. Vielleicht gehört es CA Immo und Freiberger verwaltet es?

  4. Die Bieblsche Plastik ist nicht so gefällig wie die Köppe, die aber auch von unterschiedlicher bildhauerischer Qualität sind. Weitere Plastiken von Rolf Biebl seht ihr in der Kulturbrauerei und auf dem U-Bahnhof Vinetastraße.
    Was mag den Fertig-Pizza-König zu diesem Auftrag bewogen haben, außer das Jubiläum?

    1. Ich habe jetzt im Artikel auf ein Interview mit Herrn Freiberger in der Morgenpost verwiesen. So richtig erhellend ist das aber auch nicht. Immerhin lobt er die Ossis als nicht jammernd und klagend.

  5. Ich war dabei, ohne Instrument, aber mit Fähnchen und ganz eisekalten Füßen. Und ich war wirklich beeindruckt, wie viel auf die Beine gestellt wurde.

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