Ganz so war es nicht, aber fast. Mein geliebter RIAS Kammerchor (jedenfalls ein Teil davon) sang Eisler, Schütz und Krenek im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR. Ein passender Ort für Eisler, auch wenn dort heute kein Sozialismus mehr gemacht wird, sondern eine private Hochschule für Verwaltung und Technik (ESMT – European School of Management and Technology) vermutlich gut zahlende junge Leute zu Meistern der Geschäftsverwaltung ausbildet. „Die Executive MBA Klasse 2009-2011 besteht aus 25 Männer und vier Frauen”, vermeldete die Schule 2011 in dürftigem Deutsch auf ihrer Homepage – bei dem geringen Frauenanteil schon in der Ausbildung wird es wohl in absehbarer Zeit nichts mit einem höheren Frauenanteil in den Chefetagen unserer Großunternehmen. Und auch 2021 sind von den 41 Fakultätsmitgliedern gerade mal fünf Frauen.
Ausschnitt aus dem Glasfenster von Walter Womacka
Der Kapitalismus hat gesiegt, und die Schule ist sogar als gemeinnützig anerkannt. So ändern sich die Zeiten. Inwieweit Aussagen wie „Die ESMT erwirtschaftete 2019 Erträge in Höhe von 33,4 Millionen Euro“ zum Gemeinnutz passen, erschließt sich mir nicht.
Aber von der schnöden MBA-Schmiede zurück zur Musik. Hauptwerk des Abends waren Hanns Eislers „Bilder aus der Kriegsfibel“, Vertonungen eines Teils der Verse, mit denen Brecht die Bilder seiner Kriegsfibel kommentierte. Unterstützt wurden die Solisten des Kammerchors dabei von Mitgliedern des Oberstufenchors der Beethoven-Oberschule Lankwitz. Die eindringliche, unglaublich exakt und kraftvoll gespielte Musik zum Gesang lieferte das belgische Prometheus Ensemble.
Die Kriegsfibel wurde an diesem Abend gar zwei Mal gespielt – beim zweiten Mal begleitet von der Projektion der Bilder aus dem Buch. Die Kriegsfotos sammelte Brecht schon während seines Exils, eine erste Fassung der Kriegsfibel entstand schon 1944, aber erst 1955 wurde sie veröffentlicht. Zwei Jahre später vertonte Hanns Eisler vierzehn der insgesamt neunundsechzig Texte für kleines Ensemble, Sänger und Chor.
Zum Abschluss des Konzert sangen die Chormitglieder – ebenso grandios – Ernst Kreneks 1932 entstandene „Kantate von der Vergänglichkeit des Irdischen”. Als Kontrastprogramm zwischen den beiden Hauptwerken des Abends gab es zwei Stücke geistlicher Chormusik von Heinrich Schütz.
Mehr zum Anfang der 1960er Jahre gebauten Staatsratsgebäude findet sich in der Wikipedia.
Das Fenster sieht ja großartig aus! 🙂
.. und die Tür erst.