Umgehungsgerinne in Brandenburg

Umgehungsgerinne – was für ein Wort! Das muss ich mir irgendwann einmal anschauen, dachte ich mir, als ich las, dass im Rahmen des Verkehrsprojektes deutsche Einheit Nr. 17 an der unteren Havel-Wasserstraße in Brandenburg eine solche Fischaufstiegsanlage (noch so ein Wort!) gebaut worden ist. Nun war es soweit, denn ein Besuch der sehenswerten Ausstellung 1636 brachte mich in die Stadt an ebendieser Havel.

Am Rande der Innenstadt, dort, wo der Fluss im Laufe der Jahrhunderte viele kleine Inseln erschaffen hat, liegt die Mühlenhavel mit dem großen Havelwehr. Wie bei allen Wasserbauwerken ist seit 9/11 auch hier jeglicher Zugang unmöglich und man kann nur enttäuschend wenig von dem für immerhin 1,2 Millionen Euro errichteten Umgehungsgerinne sehen.

Das 2006 angelegte Umgehungsgerinne zieht sich rund 100 Meter in Form eines künstlich angelegten Wildbachs auf einem fünf Meter breiten Streifen parallel zur Mühlenhavel hin. Google Maps zeigt es in der Satellitenansicht in erkennbarer Qualität.

“Das Prinzip des Umgehungsgerinnes ist die weiträumige Umgehung eines Absperrbauwerkes und dessen Staubereichs in Form eines naturnah gestalteten Gerinnes im Nebenanschluß. Umgehungsgerinne stellen somit eine Verbindung zwischen Unter- und Oberwasser dar, über die ein Teil des Abflusses geleitet wird und die in einiger Entfernung zum Hindernis liegen.” schreibt die sächsische Wasserwirtschaft dazu. So ganz naturnah kann es natürlich nicht werden, wenn die Uferwände der Wasserstraße aus feinem Beton gegossen sind.

Hier ist der Austritt des Gerinnes am Unterwasser zu sehen, die deutlich erkennbare Strömung dient dazu, den Fisch anzulocken und auf den Einstieg aufmerksam zu machen. Und das scheint zu gelingen, schreibt das Wasserstraßen-Neubauamt doch dazu: “Mit dem Nachweis der seltenen und als gefährdet eingestuften Aalquappe konnten erste Erfolge festgestellt werden. Daneben bevölkern auch Aale, Rapfen, Barsche, Plötzen und Gründlinge das Gerinne.”

Aber nicht nur für Fische wurde hier gesorgt, Biber und Fischotter haben ein paar Meter weiter einen eigenen Einstieg und einen eigenen Wanderweg bekommen, was ihnen ermöglicht, das Wehr zu queren. Mit der neuen Anlage haben Fische und andere Tiere nun erstmals seit dem Beginn des Havelstaus im 13. Jahrhundert die Möglichkeit erhalten, stromaufwärts die Staustufe zu umgehen.

Fast kommt es einem so vor, als sei die Konzeption und Gestaltung von Fischaufstiegsanlagen eine eigene Ingenieurdisziplin, wenn man Dokumente wie “Bewertung von Fischaufstiegsanlagen in Mecklenburg-Vorpommern” liest. Hier finden sich auch weitere schöne Worte wie Sohlengleite, Störsteine, Pfahlfischpass, Aalleiter und Raugerinne-Beckenpass. Wer noch mehr wissen mag, dem sei das Kapitel Fischaufstiegsanlagen (PDF, 5 MB) aus dem Referenzenwerk zu diesem Thema, dem Handbuch Querbauwerke, aus NRW empfohlen.

BTW: WordPress sagt mir, dass dies mein 999. Artikel sei (777 sind eben doch nicht genug). Wenn das kein Grund zum Feiern ist!


Umgehungsgrinne am Wehr
Krakauer Straße, 14776 Brandenburg an der Havel
 

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11 Antworten auf „Umgehungsgerinne in Brandenburg“

  1. Gratulation! Und so ein schönes Exemplar, mit Wasser und Informationen, nach denen man so gar nicht gesucht hätte. Noch mal 999, bitte! .)
    Auch ein schönes Wort: Wasserwirtschaft. Damit kann man gedanklich allen möglichen Unfug treiben.

  2. Ich bin gespannt auf den 1000.. Mir ist das Thema vor kurzem zum ersten Mal untergekommen, aber ich weiß nicht mehr wo. Ganz schön spannend die Klettersteige für Fisch und Otter.

  3. Umgehungsgerinne… tolles Wort!
    Schön, dass Du die “1636” auch noch besucht hast, schade, dass wir uns nicht getroffen haben…

    Bin auf den 1000. Artikel gespannt.

  4. Sollte in den 1.2Millionen, die für das Projekt ausgegeben wurden auch die Pflege und Instandhaltung der nächsten 5-10Jahre mit drin sein, fänd ich den Preis okay. Aber wahrscheinlich wird davon nur der 24h Sicherheitsdienst bezahlt 🙂 Lang lebe die post 9/11 Paranoia!

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