Reise mit Hurtigruten – Tag 4: Brønnøysund – Polarkreis – Svolvær

Die auf der nordgehenden Route nächtens angefahrenen Häfen Brønnøysund, Sandnessjøen und Nesna habe ich in der Koje verschlafen, denn draußen war es sowieso dunkel (und kalt). Frühes Aufstehen war jedoch angesagt, weil für ca. sieben Uhr die Überquerung des Polarkreises angekündigt war.

Auf der Schäre Vikingen – vermutlich millionenfach fotografiert – steht als Landmarke bei 66° 32′ N, 12° 58′ O ein Globus – kleiner, aber ähnlich dem, der am Nordkapp steht. Geographisch ist das auch wieder leicht daneben, denn der Polarkreis liegt derzeit bei 66° 33′ N. Derzeit, weil sich die Neigung der Erdachse gegenüber der Senkrechten zur Ekliptik der Erde langsam ändert, und zwar um mehr als 2° mit einer Periode von rund 40.000 Jahren. Jedes Jahr müsste man derzeit den Globus (und alle anderen Hinweisschilder auf den Polarkreis) um immerhin rund 14 Meter in Richtung Nordpol verschieben.

Ein sehr markantes Profil zeigt die Insel Hestmona mit den beiden Bergspitzen Hestmonkallen oder Hestmannen (571 m) und Ambåtta (318 m). In Abhängigkeit von der Perspektive erscheint der Fels wie ein Ritter mit langem Umhang auf seinem Pferd, daher sein Name Hestmannen – der Pferdemann. In der Sage rund um die Sieben Schwestern und den Berg Torghatten war der Hestmann der Reiter, der die schöne Magd Lekamøya verfolgte, dann aber vom Hut des Königs von Brønnøy und der aufgehenden Sonne aufgehalten wurde. Mehr dazu im Bericht zu Tag 10.

Nach der Überquerung des Polarkreises führte uns der Weg durch Rødøyfjord und Meløyfjord nach Ørnes, wo uns dichtes Schneetreiben empfängt. In Ørnes liegen wir nur eine Viertelstunde, in der die Gabelstapler Waren ein- und ausladen. Nach dem Ablegen beginnen sogleich die Vorbereitungen für die Polarkreisfeier, die ab zehn Uhr auf Deck sieben achtern stattfindet. Auf der nordgehenden Reise findet die Polarkreistaufe statt: Njord, in der nordischen Mythologie der Gott der Winde und des Meeres, tritt auf und fordert die Taufe der Reisenden, um Winde und See zu beruhigen und das Polarlicht erscheinen zu lassen. Die Taufe erfolgt – passend zum Schneetreiben, das während der Zeremonie herrschte – mit Eis.

Um 12:30 machten wir in Bodø fest, wo wir bis drei Uhr nachmittags blieben, so dass genügend Zeit für einen der angebotenen Ausflüge oder auch einen Stadtrundgang auf eigene Faust bleibt. Wir hatten uns schon vor der Reise gegen den Ausflug zum Saltstraumen, dem stärksten Gezeitenstrom der Welt, entschieden, weil während unseres Aufenthalts in Bodø die Amplitude der Tide eher gering war und der Zeitpunkt der maximalen Strömung außerhalb des Zeitfensters lag, zu dem wir auf der Saltstraumenbrücke angekommen wären. Feine Videos vom Saltstraumen gibt es auf YouTube zu sehen.

Stattdessen machten wir einen kleinen Spaziergang durch Bodø (mit Spikes unter den Schuhen, denn die Wege waren noch vereist). Nicht weit vom Hafen entfernt findet man einen der typischen norwegischen Husflid-Läden, die quer durchs Land in allen nicht zu kleinen Städten zu finden sind. Husflid bedeutet wörtlich übersetzt Hausfleiß und bezeichnet Läden, in denen handwerklich hergestellte Waren und Volkskunst vertrieben werden. Kitsch findet man hier nur sehr selten, in der Regel werden sehr schöne Artikel, zum größten Teil Kleidung einschließlich lokaler Trachten, angeboten. Immer dabei ist auch ein großes Angebot an Wolle, das die mitreisenden Strickerinnen zu ungeplanten Einkäufen verführte.

Nach dem Ablegen ging es an der Insel Landegode vorbei in den Vestfjord Richtung Lofoten, eine Strecke, die wir schon einmal im Sommer mit der Fähre zurückgelegt hatten. Diesmal war das Ziel nicht Moskenes, sondern Stamsund, ca. 45 km weiter östlich. Die Überfahrt verlief recht ruhig, obwohl der Kurs durchs offene Meer führte und nicht durch Inseln gegen Wind und See geschützt war. Die Zeremonie der Polarkreistaufe hatte zumindest in diesem Punkt offensichtlich geholfen. Die berühmte Lofotenwand tauchte schließlich am späten Nachmittag vor uns aus dem Dunst auf, die schneebedeckten Berge hoben sich kaum von den weißen Wolken ab, die den Horizont säumten. Im Westen stand die Sonne tief und ließ die Inseln Vaerøy und Røst deutlich erscheinen, während das südwestliche Ende der Lofoten unter schwarzen Wolken verschwand.

Um 19 Uhr erreichten wie Stamsund auf den Lofoten, von wo aus es nach einer halben Stunde Liegezeit weiter nach Svolvæar ging, der mit rund 4500 Einwohnern größten Stadt der Lofoten. Hier lagen wir hier eine ganze Stunde, die ich nutzte, um an einer Besichtigung (natürlich mit Bierprobe) der Lofotpils-Brauerei teilzunehmen. Um 10 Uhr Abends fuhren wir in den engen und langgestreckten Raftsund, der die Lofoten von den Vesterålen trennt. Ein Seitenarm des Raftsunds ist der bekannte Trollfjord, in den die Hurtigrutenschiffe im Sommer bei gutem Wetter einlaufen. Jetzt im Winter und des Nachts fuhren wir lediglich vor die Mündung des Trollfjords, die die Besatzung mit starken Suchscheinwerfern in ein gespenstisches Licht tauchte.

Das Abendessen stand unter dem Motto Das Erbe der Wikinger: „Der Archipel der Lofoten war der nördlichste Sitz der Wikinger. Obwohl der Reichtum der Wikinger auf dem Handel mit Fisch und dem Leder wilder Tiere gründete und sie berüchtigte Räuber und Kämpfer waren, sahen sie sich selbst als Bauern.“

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6 Antworten auf „Reise mit Hurtigruten – Tag 4: Brønnøysund – Polarkreis – Svolvær“

    1. Das war zum Teil mühsam, aber mit drei verschiedenen digitalen Kartenwerken und den im Foto gespeicherten Koordinaten und viel Interpolation ging das einigermaßen. Sehr hilfreich waren OpenSeaMap und Kartverket.no.

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