Am vorhergehenden Tag um 22:30 legte die MS Nordkapp in Stamsund ab und machte sich durch den Vestfjord auf den Weg nach Bodø. Eine Lofotenwand mit Mitternachtssonne war natürlich um diese Jahreszeit nicht zu erwarten, draußen war es dunkel, und beim Aufenthalt in Bodø (laut Plan 2:30 bis 4:15) habe ich in der Koje gelegen.
Karte © Kartverket lizensiert unter Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0), Original bei norgeskart.no
Ørnes
Der Tag begann für mich früh bei bestem Wetter in Ørnes, wo wir kurz nach sieben Uhr morgens festmachten, aber nur 15 Minuten blieben.
Selsøyvik
Von Ørnes fuhren wir – wie auf dem Hinweg aber in entgegengesetzter Richtung – durch den Meløyfjord in den Rødøyfjord, wichen aber von der „gewöhnlichen“ Route (in der obigen Karte gepunktet dargestellt) ab, indem wir zwischen Rødøya und in den Gjerdøya in den Breidsund und dann in in den Risshammarsund einbogen. Ziel der Übung war die Fahrt durch den engen Selsøyviksund, vorbei am Ort Selsøyvik, einem alten Handelsplatz, der im 18. Jahrhundert gegründet wurde und dessen älteste Gebäude mehr als 200 Jahre alt sind.
Polarkreis
Nur etwa zehn Minuten später, gegen 9:30 Uhr, verließen wir mit dem erneuten Passieren des Polarkreises die arktischen Gewässer. Selbstverständlich war das Anlass für ein weiteres Ritual, südgehend nicht mit Eis, sondern mit einem Löffel Möller’s Tran – dem norwegischen Lebertran, hergestellt aus der Leber des Kabeljaus von den Lofoten. Zum Andenken an den mutigen Schluck aus der grünen Flasche darf man den Löffel in Fischform – natürlich mit Hurtigruten-Schriftzug und -Logo – behalten und mit nach Hause nehmen.
Nach dieser anstrengenden Prozedur – ich mag doch keinen Fisch! – war ich irgendwie fotografiermüde (immer nur schneebedeckte Berge, das scheint auf Dauer nicht so interessant) und habe mehr als drei Stunden keine Fotos mehr gemacht und auch das Anlegen in Nesna (11 bis 11:15) und Sandnessjøen (12:30 bis 13:00) offensichtlich nicht an Deck zugebracht.
Karte © Kartverket lizensiert unter Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0), Original bei norgeskart.no
Sju Søstre
Kurz nach dem Ablegen in Sandnessjøen erreichten wir gegen 13:15 die Bergformation Sju Søstre (Sieben Schwestern) an der Helgelandsküste. Leider hatte sich inzwischen nicht nur die Sonne hinter den Wolken versteckt, auch die Gipfel der Sieben Schwestern waren nur vage zu erblicken, weshalb ich auch in Foto aus dem letzten Sommer zeige. Von Norden nach Süden heißen die Gipfel Botnkrona (1072 m), Grytfoten (1019 m), Skjæringen (1037 m), Tvillingene (945 m und 980 m), Kvasstinden (1010 m) und Breidtinden (910 m).
Um die Sieben Schwestern rankt sich eine Sage (zitiert nach Wikipedia): „Der ungehorsame Sohn des Königs Vågekallen, Hestmannen, lebte in Svolvær. Auf der anderen Seite des Vestfjordes lebte der mächtige König Sulitjelmakongen, der sieben Töchter hatte, eine wilder als die andere. Deshalb schickte Sulitjelmakongen seine Töchter zur ehrbaren Jungfrau Lekamøya. Eines schönen Abends schaute Hestmannen über den Vestfjord und sah Lekamøya ein Bad im Fjord von Landego nehmen und sich die Haare kämmen. Sofort begehrte Hestmannen sie. In voller Rüstung preschte er mit seinem Pferd über den Vestfjord. Lekamøya und die sieben Schwestern begaben sich auf eine wilde Flucht. Die sieben Schwestern konnten sich schon vorstellen, Hestmannen zum Gatten zu nehmen und hockten sich bei Alstahaug nebeneinander hin. Doch Hestmannen würdigte sie keines Blickes, da er nur Augen für Lekamøya hatte. Als diese jedoch immer mehr Vorsprung gewann, nahm er seinen Bogen und schoss einen Pfeil auf sie ab. Dies beobachtete jedoch der König der Sømnaberge und warf seinen Hut in die Bahn des Pfeils. Der Hut blieb durchschossen auf der Insel Torget liegen. Über die wilde Jagd vergaßen alle, wie kurz die Sommernächte im Norden sind, und schon ging die Sonne auf, und alle versteinerten, wo sie gerade saßen oder standen. Der Hut als Torghatten, die sieben Schwestern bei Sandnessjøen und Lekamøya auf der Insel Leka, wo sie Schutz gesucht hat.“
Alstahaug
Unterhalb des südlichsten Gipfels der Sju Søstre, am Ende der Insel Alsta, liegt die Bucht von Alstahaug. Die Hurtigrutenschiffe fahren hier recht dicht unter Land vorbei, so dass man, wenn man nach Süden fahrend zurückblickt, in diese Bucht schaut. Dort steht die alte Kirche von Alstahaug mit ihrem Zwiebelturm, das Petter Dass-Denkmal auf dem angrenzenden Hügel und das auffällige moderne Gebäude des Petter Dass-Museums. Die Steinkirche in Alstahaug gilt als einer der ältesten Kirchenbauten Nordnorwegens, Teile des Gebäudes stammen aus dem 12. Jahrhundert. Das Petter Dass-Museum wurde von dem international bekannten Architekturbüro Snøhetta entworfen.
Petter Dass (1647-1707) war Pfarrer in Alstahaug. Er schrieb sowohl Kirchenlieder als auch Gedichte und gilt als Norwegens wichtigster Dichter des Barocks. In seinem Gedicht Trompete des Nordlands beschreibt er die gesamte nordnorwegische Küste bis nach Tromsø. Eine deutsche Übersetzung ist 1897 bei Friedrich Andreas Perthes in Gotha erschienen und kann online bei der norwegischen Nationalbibliothek eingesehen wurden.
Eine ganz kleine Kostprobe daraus:
Dank Hurtigruten durchschifften wir die endlosen Meilen nach Norden in deutlich weniger als acht Tagen.
Brønnøysund
Nur ein paar Minuten zu spät liefen wir gegen 15:50 Brønnøysund an, wo wir bis 17:00 Zeit hatten, einen Spaziergang durch den verschneiten und am Ostermontag auch recht verschlafenen Ort mit rund 5000 Einwohnern zu unternehmen. Brønnøysund wirbt mit der Aussage Kystbyen midt i Norge (Küstenstadt mitten in Norwegen), weil Lindesnes, der südlichste Punkt des norwegischen Festlands, und das Nordkap jeweils 840 km entfernt sind.
An einem blauen Lagergebäude am Hafen (es gibt auffallend viele blaue Gebäude in Brønnøysund, ganz so, als wolle die Stadt in einen Wettbewerb treten mit Sortland, der blauen Stadt am Sund) gibt es eine hübsche Tourismuskampagne für das Inselreich (Øyriket), den Schärengarten an Helgelands Küste, quasi eine Art „Tourismus nach Zahlen“.
Torghatten
Von Brønnøysund ist es nicht mehr weit zum Torghatten, jenem bereits oben in der Sage zu den Sieben Schwestern erwähnten Hut, den der König der Sømnaberge warf und den der Pfeil des Hestmann durchbohrt hatte. Erst sah es ganz so aus, als wollte die ganze Inselwelt in dunklen Wolken verschwinden, aber dann riss die Wolkendecke doch noch rechtzeitig auf und gab den Blick auf das Loch im Berg frei.
Rørvik
In Rørvik, dem letzten Hafen für diesen Tag, hatte die MS Nordkapp sogar ein paar Minuten vor der geplanten Ankunftszeit von 20:30 Uhr am Kai festgemacht. Hier hatten wir eine Stunde Zeit für einen Spaziergang zum Norveg Museum für Küstenkultur, das zwar geschlossen hatte, aber aufgrund seiner Architektur ein sehenswertes Ziel ist. König Harald eröffnete das nach Plänen des isländischen Architekten Guðmundur Jónsson gebaute Museum am 16. Juni 2004. Passend dazu lief die MS Kong Harald gegen 21 Uhr in Rørvik ein und machte hinter der MS Nordkapp fest. Es war zwar schon recht dunkel, trotzdem gelangen die Fotos und zeigen ganz gut das Licht zur blauen Stunde.
Dinner
Das Abendessen stand an diesem Tag ganz im Zeichen des 125-jährigen Jubiläums der Hurtigruten: Die Bordküche lieferte ein feierliches Menu mit fünf Gängen, zu dem man optional eine Getränkebegleitung bestellen konnte – eine gute Wahl, wie wir feststellen konnten.
„Wir glauben an den Kabeljau“ liest sich auf Englisch etwas flockiger: „In cod we trust“ – als Leitspruch findet sich dieser Satz auf den Lofoten öfter im öffentlichen Raum.
Immer nur schneebedeckte Berge fotografieren? Ich finde die Ergebnisse ziemlich klasse!
Bei deiner Reise wird man ja atemlos. Prächtig.