Dass man in Berlin seit der Eingliederung von Schultheiss in die Radeberger-Gruppe keine echte Berliner Weiße mehr bekommen kann, haben u.a. schon Eichi und Welt kaputt beklagt. Glücklicherweise liefert schon seit Jahren die Braumanufaktur Forsthaus Templin aus dem benachbarten Potsdam eine Weiße, die zwar nicht Berliner Weiße heißen darf, aber unter dem Namen Potsdamer Weiße viel mehr mit dem klassischen Getränk zu tun hat als das Produkt aus der Kindl-Brauerei – dem Berliner Endstück der großen Pipeline, mit der die Radeberger-Gruppe ihre Industrieerzeugnisse nach Berlin pumpt (ein schönes und treffendes Bild, das ich dem Freund aus Weißensee verdanke). Auch der Moabiter Brewbaker hatte im letzten Jahr eine anständige Berliner Weiße im Programm.
Im Jahr 2012 startete der Hacker und Hobbybrauer Andreas Bogk eine Initiative, die sich ganz der Rettung der traditionellen Berliner Weiße verschrieben hat, so wie er es auf seiner Homepage beschreibt:
Die klassische Berliner Weiße entsteht in einem Verfahren, bei dem Milchsäurebakterien und obergärige Bierhefen in einer Mischgärung sowohl die sortentypische angenehme Säure als auch Alkohol produzieren. Das Bier kam lebendig in die Flasche, wo es durch Flaschengärung und unter Beteiligung der “Faßhefe” Brettanomyces sein typisches Aromabukett entwickelte. […] Weil die notwendigen Mikroorganismen nicht zu beschaffen waren, habe ich aus einer noch vollen Flasche Berliner Weiße aus dem VEB Getränkekombinat Berlin, hergestellt in den 80er Jahren in der heutigen Kulturbrauerei, den Bodensatz auf Agar aufgebracht. Und siehe da, es ist mir gelungen, die originalen Brettanomyces zu rekultivieren!
Ganz anders als beim Wein, wo die Brettanomyces-Hefe für einen unerwünschten Geschmackston sorgt, ist sie bei der Gärung der Weiße ebenso wie bei den belgischen Lambic-Bieren oder beim Porter, dem sie den typischen “Horse Blanket Flavour” verleiht, unverzichtbar. Großbrauereien wie Kindl scheuen diese Hefe eher, weil sie aus den Gerätschaften, mit denen sie in Berührung kommt, nur mühsam wieder wegzubekommen ist. Weil das den industriellen Brauprozess eher stört und den Profit schmälert, kommt man eben ohne aus.
Wenn man Bier herstellen und verkaufen will, braucht man einerseits eine Menge Erlaubnisse und muss etliche Auflagen erfüllen, andererseits ist eine ganze Reihe technischer Einrichtungen erforderlich. Das alles kostet Zeit und vor allem Geld. Andreas Bogk hat die Anschubfinanzierung erfolgreich über die Crowd-Funding-Plattform inkubato abgewickelt: Statt der angestrebten Summe von 3.000 € kamen über 20.000 € zusammen, so dass er nun bessere und vor allem größere Ausrüstung für seine neue Mikrobrauerei anschaffen kann – mehr Weiße für alle!
Das Sudhaus
Im Januar war nun endlich die offizielle Feier der Brauereieröffnung, zu der einige der Unterstützer eingeladen waren. Nach einem gemeinsamen Abendessen in einem nahegelegenen Restaurant ging’s in kleinen Gruppen zur Brauerei, wo der Braumeister höchstselbst seine kleine Brauerei vorstellte und erklärte, wie er dort seine Biere herstellt.
Der Braumeister (Mitte) erzählt von seinen Erlebnissen mit Behörden
Recht abenteuerlich fielen seine Schilderungen der Anforderungen, die die Behörden an eine Brauerei, und sie sie noch so klein, stellen.
Dass er nicht nur Weiße herstellen kann und will, erwies sich bei einer kleinen Verkostung von zwei Hefeweizen – eines ober- und eines untergärig.
Verkostung von hellem und dunklem Hefeweizen
Beide schmeckten mir sehr gut, vor allem das Dunkle, das einen schönen vollen Geschmack nach Getreide aufwies.
Die Weiße selbst bekam ich in Form einer Flasche der Erstabfüllung, die zwar schon hinreichend lange gelagert ist, aber noch ein wenig “abhängen” darf, damit sie im Sommer dann zusammen mit einem Exemplar der Zweitabfüllung verkostet werden kann, die auf Champagnerflaschen gezogen wurde und noch ein wenig auf der Flasche gären muss. Etwas Geduld bis zum Testbericht ist also noch erforderlich. Größere Mengen der Weiße wird es auch erst in einigen Monaten geben (bei 50 l pro Sud und einmal brauen pro Woche werden das auch keine riesigen Mengen), einen überregionalen Vertrieb der Biere möchte der Brauer über einen entsprechenden Vertriebspartner organisieren.
Die ersten Flaschen der Bogk-Weiße
Kreuzbergstraße 74, 10965 Berlin
030 5770 8270
www.bogk-bier.de
Wenn auch keine Biertrinkerin, würde ich das dunkle mit dem vollen Getreidegeschmack auch gerne mal probieren.
Toll, dass ihn der Mut beim Gang durch den Genehmigungs-Dschungel nicht verlassen hat!
Und damit harren wir deines Verkostungsberichtes 🙂
Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse des Lagertest.
Leider stimmen die Herkunftsangaben auf der Webseite des Brauers nicht. Die Ost-Berliner-Weiße wurde vom Getränkekombinat Berlin, Betriebsteil Schultheiß, Abteilung Weißbier in der Berliner Straße 80-82 in Pankow produziert.
Ich habe gerade in meinen Unterlagen Etiketten und Six-Packs aus Pankow gefunden die für den Export genutzt wurden. Auch die Schultheiss Original Berliner Weiße kam als Six-Pack aus Pankow.
http://www.reichsbankschatz.de/aukdo/AukDetail.php?id2=1&TaskId=6&ik1=00058&ik2=Reichbankschatz5-Bestandskatalog&id1=17060
Ich bin zwar keine Biertrinkerin, aber Berliner Weiße, allerdings mit Schuss (Himbeer) war früher das einzige Bier, das ich herunterbekam. Na ja, und brown ale aus England, seltsam.
Hey, eine klasse Idee, Mikroorganismen aus einem 30 Jahre alten Getränk zu reaktivieren!
Hey, eine klasse Idee, Mikroorganismen aus einem 30 Jahre alten Getränk zu reaktivieren!
Ach, schön. Sehe ich das auch mal. Danke! (Kein Bild von der Gelben Linie?)
Nein, leider habe ich kein Bild von der Grenze des Zolllagers.