An der Kreuzung von Birkenstraße und Stephanstraße mit der verkehrsgeplagten Stromstraße gibt es eine unscheinbare und etwas verkommene Mini-Grünanlage. Sogar ein paar Bänke sind hier aufgestellt, die jedoch – wenn überhaupt – nur von Männern mit Bierflaschen besetzt sind. Einst stand auf dem Dreieck zwischen Birken- und Stephanstraße die Brotfabrik der Familie Paech, ein Berliner Traditionsunternehmen.
Werbelyrik
Bekannt war Paech vor allem durch die wunderbare Gebrauchslyrik, die im alten West-Berlin bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts auf Seitenstreifenplakaten in U-Bahnen und Bussen mit roter Schrift auf gelbem Grund für die Produkte der Großbäckerei warb:
die Oma hat kein Paech-Brot da.
„Paech-Brot ist in aller Munde!“
gib mir doch noch ’ne Paech-Brot-Schnitte!
wer Paech-Brot tippt, liegt immer richtig!
fehlt das Paech-Brot dir dabei.
„Recht gut, ich esse Paech-Brot stets.“
weil sie noch schnell ein Paech-Brot kaut.
„Haste nich ’ne Paechbrotstulle?“
der gut gelaunte Paechbrotesser.
Und hier die Werbesprüche, bei denen mir noch die »Moral« fehlt (sachdienliche Hinweise bitte als Kommentar!):
mit Paech-Brot kriegste wieder Lust.
mit Paech-Brot liechste imma richtig!
aus dem Ofen auf den Tisch.
den ganzen Tag an Paechbrotkrümel.
Der letzte Spruch ist wohl erst später entstanden, nachdem schon eine größere Zahl türkischer Gastarbeiter nach Berlin gekommen war. Heute würde man wohl eher auf solche Werbeaussagen verzichten.
Brunnen
Außer den markanten Werbesprüchen ist von Paech nicht mehr viel geblieben, die Brotfabrik geschleift, das Gelände für ein künftiges Einkaufscenter planiert, nur der Schornstein steht noch. Aber halt: In der Grünanlage auf der Spitze des Dreiecks steht ein Brunnen, gestiftet von Paech, als die Fabrik noch produzierte.
In einem in den Boden eingelassenen Becken aus Beton steht eine 2,40 Meter hohe Bronzeplastik der Künstlerin Brigitte Haacke-Stamm. Zwei lebensgroße Frauen sitzen sich gegenüber, die eine mit einem Kind auf dem Rücken, das in seinen Händen Brötchen trägt, die andere mit einer Katze auf dem Rücken, die einen Fisch im Maul hält, und Brot auf den Knien. Die Forellen, die ringsum angebracht sind, speien schon lange kein Wasser mehr, die Plastik ist beschmiert, und im Becken sammelt sich der Müll. Ein trauriger Anblick. Eine kleine Bronzetafel am Fuße des Brunnens verrät: »Paech Brunnen • 1980 • Brot – ein Segen der Erde«. Er ist auch als »Brotbrunnen« bekannt.
Nachtrag April 2004:
Nun ist er plötzlich weg, der Brunnen, nur noch das leere Becken ist übrig. Das kleine Dreieck, auf dem der Brotbrunnen stand, ist eingezäunt und Teil der großen Baustelle auf dem Paech-Brot-Gelände geworden.
Nachtrag November 2010:
Jetzt ist der Brunnen wieder aufgestellt, und zwar hinter der Moa-Bogen vor dem »Bürstenhaus«.
Nachtrag November 2015:
Jeder Spruch hatte auch eine zugehörige Moral, ich danke meinen aufmerksamen Lesern (siehe Kommentare) für entsprechende Hinweise. Einige der “Moral-Ergänzungen” fehlen noch, ich bin dankbar für jeden weiteren Hinweis, damit die Sammlung möglichst komplett wird.
Nachtrag September 2018:
Neben dem Brunnen steht jetzt eine schwarz glänzende Kiste, auf der einige der Paech-Brot-Sprüche zu finden sind. Es ist allerdings erschreckend, wie schludrig hier die Typographie besorgt wurde (von der Gestaltung mal abgesehen):
Und wer sich jetzt wundert, warum ich über falsche Apostrophe meckere, der sei auf Typefacts verwiesen.
Birkenstraße, Ecke Stromstraße, 10559 Berlin
Lieber Autor..
ich kann dem geschrieben nur zustimmen. ich selber bin in der Putlitzstraße aufgewachsen. Mein Opa arbeitete bei Peach und ich kann mich gut erinnern an den Tag, als der Brunnen mit einem schönen Straßenfest eröffnet wurde.
Warum muss eigentlich immer alles verkommen..schade eigentlich. Gestern fuhr ich voller Entsetzten an dem brachliegenden Grundstück der ehem. Peach-Fabrik vorbei, da nun auch der Schornstein abgerissen wurde. Ich hatte gedacht, dass wenigstens dieser stehen bleibt. Weiß jemand warum er so lange übriggelassen wurde und dann doch dem Baukran zum Opfer fiel?
Der Schornstein sollte wohl gesprengt werden, was wohl nicht ging, daraufhin musste er Stein für Stein abgetragen werden, was wohl nicht so einfach war, da ein großer Spezialkran dazu nötig war.
Ja, wunderbare Gedichte, da bin ich fast geneigt meinem Lieblingsbrot auch mal ein paar Sprüche zu widmen zu lassen.
von den og. Sprüchen sind mir auch noch einige in Erinnerung, vor allem der letzte mit Orje und Kulle.
Schöne Geschichte seine eigene Geschichte mal wieder zu durchforsten.
Schade, dass Brunnen und Schornstein jetzt weg sind! Wohne erst seit 3 Jahren um die Ecke und den Schornstein hab ich richtig lieb gewonnen 🙂 Soweit ich von dem Bauplan gehört / gelesen habe, soll der Brunnen wieder aufgebaut werden!
Wenn ich schon meinen Lieblingsschornstein (im Winter mit Lichtergirlande) nie wieder sehe, dann doch hoffentlich ab dem Winter wieder diesen schönen Brunnen!
http://www.stephankiez.de/wiki/index.php?title=Paech-Brot-Areal
…vor etlichen Jahren irgendwo gelesen:
Ist die Stulle naß und pappt, haste einfach Paech gehabt.
Norbert, auch nicht schlecht. Ich muss zugeben, dass mir Fabrikbrot eh immer schon nur Ersatz war.
“Der Opa schimpft der Omama, denn is gibt kein Paech Brot da!”
Als 19 jaerige Amerikaner kam ich erst nach Berlin im 1961 und Deutsche und Berliner Redensarten waren mir fremd, aber die obrige ist mir vom Steglizem Strassenbahn geblieben. Der Strassenbahn war sofort weg, aber Paech-Brot blieb laenger. Heute, im Stieftocher’s Las Vegas Haus heize ich deswegen jetzt aber Opa, und meine Frau ist Opa’s Grandma zu dem Enkeln. Die Kleinen haben sonst zufiele grandmas and grandpas. Die Redensarten sind immernoch fremd. ..rb..
Die Sprüche sind einzigartig auf ihre weise. Sie haben sich in vielen Köpfen eingebrannt wie mir scheint und es ist schon interessant sie nun noch einmal alle zu lesen. Ebenso wie die Geschichte für die zukünftige Nutzung des Geländes und dem einstigen Abriss des Gebäudes. So geht ein weiteres Stück Berliner Geschichte zuende, vermutlich gescheitert an der Vereinigung von Ost & West und der zunehmenden Globalisierung dank derer man nun Knoblauch aus China für 49 Cent im Supermarkt des Vertrauens bekommt.
Achja, die “Reime” begleiteten mich durch meine Kindheit in der U-Bahn. Ich habe sie nie vergessen.
Zwar nur 49 Cent, aber er schmeckt nicht gut.
Den Brunnen habe ich vorgestern wieder gesehen auf einem kleinen Transporter und ich freue mich das es “Ihn” noch gibt und er mit in den Bau eingebunden wird freu*
Der Brunnen wird, wie ich es von BürSte gehört habe, auf dem Gelände des Moa-Bogens nahe beim Bürstehaus aufgestellt werden.
eine frage die habe ich noch ..gibt es noch bilder von der Peachbrotfabrik vom Inneren..also Betriebsräume(Produktion) o.ä? ich habe mal versucht da mal zu reachieren aber nix brachbares gefunden..es wäre cool wenn es davon irgendwelche bilder oder filme zu sehen gibt/gäbe
hier sind ein paar Fotos, aber viel von der Produktion ist nicht zu erkennen:
http://www.moabitonline.de/5740
Mein Vater erfreut uns noch heute mit paech Brot Sprüchen. Es ist eine Freude diese Sprüche hier zu finden . Dachte schon nur die Ärzte kennen dieses sprachgut.
Guten Tag, Herr Krause, na wie geht’s? Danke gut, ich esse Paech-Brot stets!
Dieser fehlte noch, kann mich noch gut an alle erinnern.
Ich kann mich gut an den Spruch erinnern, bisschen anders allerdings:
“Tach Herr Krause, na wie geht’s?”
“Recht gut, ich esse Paech-Brot stets!”
Danke, Eduard für den Hinweis, da kommt soviel Vergangenheit wieder herauf. Der Geruch der alten U-Bahn, die schmalen Spruchbänder auf oder über Kopfhöhe, und natürlich der Geschmack des typischen Bauernbrotes, mit Teewurscht. 1960er Jahre.
Hallo, ich wohnte in Lübeck. In allen Bussen waren diese Sprüche auch zu finden.
Ich lebe zwar schon 50 Jahre in Australien, aber die Sprüche sind immer noch in der Erinnerung von der Straßenbahn in Berlin. Der Spruch ging:
“Mahlzeit, Herr Krause, na wie geht’s?” ” Recht gut, ich ess Paech Brot stets.”
Moral: Die kluge Antwort soll man loben. Wer Paech Brot ißt schwimmt immer oben.
Stimmt, eine Moral stand auch immer (oder nur manchmal?) unter den Sprüchen.
Immer ….
Schinken nützt nichts, Wurst und Ei, fehlt das Paech-Brot dir dabei.
Moral: Dem Fleisch verfallen oder nicht / auf Paech-Brot leiste nie Verzicht.
Ach lieb Mutti, bitte, bitte, gibt mir doch noch ´ne Paech-Brot-Schnitte.
Moral: Selbst Kinder, wenn sie noch so klein / nach Paech-Beot sich schon heiser schrein.
Ganz furchtbar schimpft der Opapa – Die Oma hat kein Paech-Brot da.
Moral: Für Oma gilt´s wie für die Braut / Der Mann ist zahm, der Paech-Brot kaut.
Ah, danke, das werde ich aufnehmen.
Ach liebe Mutti, bitte, bitte, gibt mir doch noch ´ne Paech-Brot-Schnitte.
Zur Brot kauenden Braut: Es gibt doch wichtig’res im Leben / als sich verfrüht das Ja-Wort geben.
Danke, wird sofort ergänzt.
Ich fürchte, ich habe die Moral erst jetzt richtig verstanden: sie gehört historisch zu den historischen Werbesprüchen. Dann ist meine natürlich falsch, denn die habe ich mir nur ausgedacht.
Na und, ist genau so gut, mal sehen, ob und wann jemand Widerspruch einlegt und mit der “richtigen” Moral kommt.
Ach, wie wunderschön, dass es diese Seite gibt!
Ein Stück Lebensgefühl aus den sechziger und siebziger Jahren stellt sich wieder ein …
und der Orje fragt den Kulle: haste nich’ ‘ne Paechbrotstulle Moral: Wer sich auf Höflichkeit versteht,der kriegt sein Brot wo er auch geht.
Berliner Luft genießet besser der gut gelaunte Paechbrotesser
Moral: und hast Du mal ‘nen Freund zu Gast, er freut sich, wenn Du Paechbrot hast
Es muß heißen: Ganz fürchterlich schimpft Opapa,…
Danke für die Ergänzungen!
Ich finde, der Brunnen sollte wieder an seinen alten Platz, vor das Einkaufszentrum. Viel Kunst gibt es nicht in Moabit. Er idt jetzt versteckt und seit einem Jahr auch ausser Betrieb. Einfach schade. Er wäre ein Blickpunkt vor dem Zentrum.
Da hast Du Recht. Es wäre ja auch noch genug Platz da, den Brunnen auf dem kleinen, jetzt so kahlen Platz an der Ecke Birken-/Stromstraße aufzustellen. Ich fürchte aber, dass es niemanden gibt, der die Kosten dafür aufbringen wird.
Und der Orje fragt den Kulle:
haste nich ’ne Paechbrotstulle?
Moral: Wer sich auf Höflichkeit versteht, / der kriegt sein Brot, wo er geht und steht.
So habe ich den Spruch in Erinnerung.
Ich nerve gelegentlich meine Anvertraute mit diesen Sinnsprüchen, die mir nach Jahrzehnten noch in Erinnerung sind. Zu manchen Sprüchen fehlte mir die Moral, bei einigen war es anders rum. Daher heute mal der Griff nach Google und prompt über Ihre Seite gestolpert. Herzliches Lachen beim Wiederentdecken!
Zur Info: Die Sprüche müssen noch älter sein als aus den Achtzigern. Ich bin Hamburger, und als Kind in den späten Fünfzigern und den Sechzigern gern und häufig mit den 1978 eingestellten Straßenbahnen gefahren. In jeder dieser Bahnen klebten die oben abgebildeten Streifen über den Seitenfenstern. So hatte man sie immer im Blickfeld und das Auswendiglernen erfolgte ganz von selbst.
Danke für die nette Zusammenstellung!