3. kulturradio Galerienwanderung

Moderne Kunst und Neue Musik hat die dritte Galerienwanderung des Kulturradios perfekt unter einen Hut gebracht. Ich fand es eine geniale Veranstaltung, die mich vier Stunden in ihren Bann gezogen hat. Rund fünf Kilometer bin ich dabei auch noch gelaufen, wie viele ich gestanden bin, weiß ich nicht.

galerienwanderung

An der Moabiter Heidestraße, zwischen den Gleisen des ehemaligen Hamburg-Lehrter Güterbahnhofs und dem Hamburger Bahnhof, zwischen Spedition, Autowerkstatt und Elektrogroßhandel ist eine ungeahnte Welt mit zeitgenössischer Kunst entstanden. Im morbiden Charme der alten Fabriketagen und Montagehallen fanden die Galerien üppige Ausstellungflächen, in denen sie auch großformatige Kunstwerke zu Geltung bringen können.

Hamish Morrison

Galerie Hamish Morrison

Anfang und Treffpunkt war bei der Galerie Hamish Morrison. In der alten Halle, die früher Behausung einer Vergaserfabrik war, hingen großformatige Bilder der Künstlerin Sophia Schama. »Urban Jungle« ist der Titel der Ausstellung und das trifft das Thema der Bilder ziemlich genau. Zitat von der Website der Galerie: »Zwischen den Vorhängen und den Spalten der Rolläden quoll dunkles Grün auf, dünne Bänder weissen Morgenschaums schlangen sich hindurch …« (Robert Musil). Dazu spielten Musiker des KNM (Kammerensemble Neue Musik) das Stück »Timbres« von James Tenney, das einen einzigen Ton durch verschiedene Klangfarben gestaltet.

Galerie Hamish Morrison

Haunch of Venison

Galerie Haunch of Venison

Weiter ging es zu Haunch of Venison. Diese Galerie mit dem eigenartigen Namen »Rehkeule« ist die Berliner Dependance der 2002 in London gegründeten Galerie, die seit 2007 dem Auktionshaus Christie’s gehört. In der Ausstellung »The Instantaneous Everything« zeigt der US-amerikanische Künstler Ian Monroe sehr konstruierte Bilder und Skulpturen mit starken Fluchtpuntkperspektiven, die immer wieder durch kleine Störungen gebrochen werden. Dazu spielten Naama Golan und Nathan Plante auf Trompeten einiges aus Karlheinz Stockhausens »Tierkreiszeichen«. Einfach wunderbar.

Galerie Haunch of Venison

Edition Block und Galerie Tanas

Edition Block

Der nächste Anlaufpunkt war die Galerie Edition Block, die zu den ältesten Berliner Herausgebern von Multiples und Druckgrafik internationaler zeitgenössischer Künstler und Anfang des Jahres in eine 1000 qm große Fabriketage zog, die sie sich mit der Galerie Tanas teilt, die sich der zeitgenössischen türkischen Kunst widmet. In der Ausstellung anlässlich der Beuys-Ausstellung im Hamburger Bahnhof Multiples von Joseph Beuys, dazu Musik von John Cage: »DURE« aus »Sculptures musicales …« realisiert von Daniel Ploeger.

Jarmuschek und Partner

Galerie Jarmuschek und Partner

Dann ging es auf die andere Seite der Heidestraße in die Halle am Wasser in die Galerie Jarmuschek und Partner, wo der brasilianische Künstler Harding Meyer seine verstörenden, überlebensgroßen Portraits zeigt. Für mich die faszinierendsten Kunstwerke der Wanderung. Mitglieder des KNM spielten dazu die Serie »spots« von Frederic Rzweski.

Galerie Frisch

Galerie Frisch

Gleich nebenan in der Galerie Frisch dann Kunstwerke von Bernd Schwarting. Dicker, pastöser Farbauftrag, aus dem hie und da Puppengesichter erscheinen. Nicht mein Fall, die Musik schon eher: »Santur« von Hans-Joachim Hespos, gespielt auf dem Cimbalon von Enikö Ginzery.

Galerie Frisch

Andersen’s Contemporary

Galerie Andersens Contemporary

Und weiter im Galeriehopping: bei Andersen’s Contemporary stellt Daniel Lergon unter dem Titel »States of matter« faszinierende Werke vor. Er malt mit farblosem Lack auf retroflexivem Gewebe, das Licht in genau die Richtung zurückwirft, aus der es kommt. So entsteht letztlich ein Gemälde aus der Interaktion der Idee des Künstlers mit der Bewegung des Betrachters und dem einfallenden Licht. Allerdings keine Kunst fürs Wohnzimmer, denn die vier ausgestellten Bilder sind jeweils 4 mal 7 Meter groß. Aber sie bilden einen schönen Raum für die Musik: Theo Nabichts »Corruptions 1-3« und Luciano Berios »6 Encores«.

Galerie Andersens Contemporary

Arndt und Partner / Loock

Galerie Arndt & Partner

Ein Abstecher in zwei Galerien ohne Musik lieferte bei Arndt und Partner einen Blick auf die eindrucksvollen, großformatigen Bilder von Jonas Burgert, die einen Eindruck von Endzeitstimmung vermitteln und stellenweise an die Welten von Hieronymus Bosch denken lassen.

Galerie Loock

Und bei Loock die Fotografien von Charlie White unter dem Titel »The Girl Studies«.

Hamburger Bahnhof

Hamburger Bahnhof

Den Abschluss der Wanderung bildete die Ausstellung der Zeichnungen von Joseph Beuys im Hamburger Bahnhof. Dazu spielte das KNM die Komposition »Block Beuys – Raum 3« von Richard Rijnvos. Beuys selbst ist hier mit Sequenzen aus seinem Vortrag »Aktive Neutralität« (jeder Mensch ist ein Künstler) zu hören, seine Stimme aus den Lautsprechern gibt gleichsam den Takt für das Orchester an, das mit großer Präzision spielt. »Fettecke zum Hören« titelte die Zeit einst über dieses Stück.

Ein großartiger Nachmittag! Es war schon das dritte Mal, dass diese Veranstaltung stattfand, allerdings war es mein erstes Mal. Nächstes Jahr wird es wieder eine Galerienwanderung geben, da bin ich ganz bestimmt wieder mit von der Partie!

Bewerte diesen Beitrag
[Gesamt: 1, Durchschnitt: 5]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert