Das Krankenhaus Moabit ist auch so ein Platz, der zwar einer ist, seiner ursprünglichen Funktion aber inzwischen beraubt ist und daher ein »ehemalig« vor seinem Namen tragen müsste.
Als Berlin nach dem Krieg 1870/71 unter einer Pockenepidemie litt, richtete man auf Initiative von Rudolf Virchow in Moabit zwischen Turmstraße und Perleberger Straße eine provisorische Seuchenstation ein. Das Lazerett aus 16 Baracken wurde 1872 auf günstig erworbenem Ackerland gebaut und diente bis zu seiner Aufhebung 1874 der Behandlung an Pocken, Cholera, Fleckfieber und Typhus Erkrankter.
Schon ein Jahr darauf wurde entschieden, an gleicher Stelle ein ordentliches Krankenhaus zu errichten, um für künftige Epidemien gerüstet zu sein. Bei der großen Berliner Fleckfieberepidemie in der ersten Hälfte des Jahres 1879 leistete das neue Krankenhaus dann auch gute Dienste. Robert Koch arbeitete hier später an seinem Tuberkulin. Über die Jahre entwickelte sich das Krankenhaus Moabit zu einem Ort hervorragender medizinischer Versorgung, wurde 1920 zum Universitätsklinikum erhoben und erhielt ein eigenes, bis heute erhaltenes Hörsaalgebäude. Es war bald das bedeutendste Berliner Krankenhaus nach der Charité.
Auch international waren das Haus und seine Ärzte bekannt: 1922 wurden Georg Klemperer und Moritz Borchardt nach Moskau gerufen, um eine Kugel aus Lenins Hals zu entfernen, die 1918 bei einem Attentat auf ihn abgefeuert worden war.
Mit dem Nationalsozialismus kam das Ende der medizinischen Spitzenleistungen. Die überwiegend jüdische Ärzteschaft wurde verfolgt, vertrieben, ermordet. An sie erinnern zwei Berliner Gedenktafeln mit dem Text:
KRANKENHAUS MOABIT
Seinen Ruf als Reformkrankenhaus
und als Stätte richtungweisender
medizinischer Entwicklungen
begründeten viele jüdische Ärzte
die bis zu ihrer Vertreibung durch die
Nationalsozialisten hier wirkten
Erinnert sei an
HANS-GERHARD ARONSOHN • CARL BENDA • ERNST BERLA
MORITZ BORCHARDT • JULIAN CASPER
LILLY EHRENFRIED • KURT GOLDSTEIN • ERNST HAASE
WALTER HAHN • MARTIN JACOBY • RUDOLF JAFFÉ
ERNST JOEL • SIEGBERT JOSEPH • LEOPOLD KAUFER GEORG KLEMPERER • MAX LEFFKOWITZ • HEINZ LEWINSKI
ERICH LOEWENTHAL • MAX MARCUS • ERICH NATHORFF
HERTHA NATHORFF-EINSTEIN • ERWIN RABAU
PAUL RADT • LYDIA RABINOWTISCH-KEMPNER
Nach dem Krieg konnte das Krankenhaus trotz seiner Erfolge auf dem Gebiet der Naturheilkunde und bei der Tumorbehandlung die große Bedeutung nicht mehr erreichen, die es einst hatte. 2001 wurde es trotz jahrelangen Widerstands geschlossen. Heute beherbergt es als »Gesundheits- und Sozialzentrum Moabit« eine Reihe unterschiedlicher medizinischer und pflegerischer Einrichtungen.
Turmstraße 21, 10559 Berlin
www.bim-berlin.de/gsz-moabit.html