Aus der Einladung zur Eröffnung der Kunst-Aktion von Haus am Gern (Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner):
„Der Herbst ist da. Die Bäume verlieren ihre Blätter und ziehen ihre Schuhe an. Jedenfalls in Moabit.
Hier, an der Ecke Birken-/Stephanstraße, gleich am Rande der Paech-Brot-Brache, steht ein toter Baum. In seinem blätterlosen Schatten steht der Paech-Brunnen und keine 10 Meter weiter verkündet ein großes Schild den Baubeginn eines Einkauf-Centers für 2008. An diesem toten Baum liesse sich – mit ein bisschen Verstand – hervorragend die verwinkelte Geschichte des Stephankiez’ und der Paech-Brotfabrik, der Investoren und Besetzer, der Anwohner und Politiker etc. aufhängen, doch genau dies tun die Künstler von Haus am Gern nicht. Stattdessen hängen sie hunderte Paar Schuhe in den Baum – und laden alle Anwohner und Einwohner Moabits ein, in der Kurt-Kurt-Projektzentrale an der Lübecker Strasse 13 gebrauchte Schuhe zu behändigen und sie in den Baum zu werfen. Das verändert zwar die Situation in Bezug auf die Brache, den Kiez oder das geplante E-Center nicht, schafft aber einen bildhaften, künstlerischen Kommentar in der grauen Stadtlandschaft. So wird vielleicht ein toter Baum unter dem Namen «Der Paechbrotbaum» in die Berliner Stadtgeschichte eingehen.“
Lang gedauert hat diese Kunst-Aktion leider nicht. Die Staatsmacht hat sie vorzeitig beendet. Aber der Reihe nach.
Begonnen hatte alles Anfang Oktober mit einer Sammelaktion für alte Schuhe bei Kurt-Kurt.
Am 19. Oktober traf man sich dann bei Kurt-Kurt, dessen Schaufenster mit einem übergroßen Logo des früheren Paechbrot-Imperiums geschmückt war.
Drinnen waren etliche Fotos von Shoe Trees aus den USA und Kanada ausgestellt (nicht zu verwechseln mit Schuhspannern, der ursprünglichen Bedeutung von shoe tree).
In der Mitte des Raums warteten Säcke mit rund 1000 Paar in den letzten Tagen gesammelter Schuhe darauf, in gemeinschaftlicher Aktion aller Besucher in Einkaufswagen zum Paech-Brunnen gefahren zu werden.
Dort war bereits eine temporäre Lichtinstallation aufgebaut, damit man den Baum in der nächtlichen Dunkelheit überhaupt sehen konnten.
Kaum waren die ersten Schuhe in den Baum geworfen, kam schon ein Polizeiwagen und stoppte die Aktion wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (die Ordnungshüter sprachen ungeschickter Weise von »Versammlungsverbot«, meine ich mich zu erinnern) und wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Naturschutz und Vergehen gegen noch lebende Bäume waren auch im Gespräch. Überdies müssten am nächsten Morgen gleich die bereits im Baum befindlichen Schuhe wieder entfernt werden, weil sonst die Gefahr bestünde, dass durch Wind und Sturm herabgewehte Schuhe Menschen verletzt würden.
Das ist wohl nicht geschehen, vielmehr sind weitere Schuhe hinzugekommen, wie das obige Titelbild zu diesem Betrag zeigt, das am 8. November 2008 aufgenommen wurde.
Nachtrag 1. März 2009
Seit ein paar Tagen wird nun auf dem Gelände das gebaut, was schon 2008 hätte fertiggestellt sein sollen, und der Baum wurde samt der Schuhe abgeholzt.
Der Paechbrotbaum war ja wenigstens schon abgestorben, bevor er abgeholzt wurde, für den Bau. Aber in der gesamten Umgebung sind – wie so oft in den letzten Februartagen – jede Menge lebende und auch alte Bäume den Kettensägen zum Opfer gefallen. Die Brutsaison beginnt am 1. März, dann darf man nicht mehr!
Ja, darunter war auch eine „Bauminsel“, die –– wenn ich mich recht erinnere –– erhalten bleiben sollte.