Grüße aus Schilda

Eigentlich sollte man sich als Fußgänger darüber freuen, wenn die Stadt beschließt, einen Fußgängerüberweg zu bauen. Zumal, wenn sie sich über die Vorschriften des §26 der StVO hinausgehende Richtlinien gegeben hat, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Zebrastreifen eingerichtet werden kann.

Zeichen 350 Fußgängerüberweg
Zeichen 350

Eine der Bedingungen ist, dass an einem Fußgängerüberweg nur jeweils eine Fahrspur für Autos pro Richtung bestehen darf. Der offensichtliche Grund dafür: Man möchte vermeiden, dass auf einer Spur ein Auto anhält, auf der anderen aber ein Berliner Autofahrer, der jahrzehntelang von Zebrastreifen entwöhnt wurde, überholt und dabei möglicherweise den querenden Fußgänger erfasst. Eine weitere besagt, dass ein Überweg des Nachts beleuchtet sein muss und dass ebenfalls beleuchtete Hinweisschilder (Zeichen 350 nach StVO) über dem Zebrastreifen aufgehängt werden müssen.

Zebrastreifen
Zeichen 293

Die Erfüllung dieser Anforderungen macht die Einrichtung eines Fußgängerüberwegs grundsätzlich zu einer teuren Angelegenheit (in Berlin zwischen 12.700 € und 76.600 €), was erklärt, dass in unserer Stadt die Zahl dieser Einrichtungen nur langsam wächst (2010 wurden 14, 2011 42 und 2012 17 neue Überwege angelegt). Dabei hatte Westberlin einst 700 davon, bis der Senat sie ab 1967 nach und nach abbauen ließ, um den freien Fluss des Autoverkehrs nicht zu stören. 1990 gab es in ganz Berlin nur noch 164, die durch teure Fußgängerampeln ersetzt werden sollten. Erst 2001 fand ein Umdenken statt und der Senat legte ein Sonderprogramm zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fußgänger auf, mit dessen Etat von 1 Million Euro u.a. neue Zebrastreifen angelegt werden sollen.

Eine andere verkehrspolitisch sinnvolle Maßnahme der letzten Jahre besteht darin, die Radfahrer wieder vom Gehweg auf die Straße zu bekommen, indem die roten Radwege, die vor rund drei Jahrzehnten auf den Gehwegen angelegt wurden, nach und nach entfernt werden. Das schont die Fußgänger ebenso wie die Radfahrer, die heute oft sehr viel schneller unterwegs sind als vor dreißig Jahren.

Bau FußgängerüberwegDer Überweg, der 2011 an der Kreuzung Perleberger/Lübecker Straße neu angelegt wurde, gehört mit Kosten von fast 30.000 € nicht zu den billigen Exemplaren, scheint jedoch eher der Planung eines Schildbürgers als der eines verständigen Verkehrsplaners entsprungen zu sein. Denn hier wurde zwar aufwendig umgebaut, Bürgersteige wurden großflächig verbreitert, die Fahrbahn auf zwei Fahrspuren (ohne Radstreifen!) eingeengt, Stromanschlüsse wurden gelegt und Masten aufgestellt. Zu guter letzt jedoch wurden die Radwege, die auf der Perleberger Straße wenige Monate zuvor erst von den Gehwegen haben weichen müssen und durch Schutzstreifen auf der Fahrbahn ersetzt wurden, wieder mit roten Streifen über die Gehwege geführt. Als Sahnehäubchen wurde dann noch eine ziemlich wilde Bemalung von Radstreifen und anderen Markierungen auf die Kreuzung gegeben, die sogar an einer Stelle dafür sorgt, dass dort, wo Fußgänger die Straße überqueren wollen, nun so gut wie immer ein parkendes Auto den Weg blockiert.

Diese Verkehrsführung scheint mir aus vielen Gründen vollkommen daneben. Erst holt man die Radler vom Gehweg und dann bringt man sie zurück, gerade als die Fußgänger sich daran zu gewöhnen begannen, dass sie sich auf dem Gehweg frei und sicher bewegen können? Querungswillige Fußgänger setzen sich hier der Gefahr aus, mit fixen Radlern zu kollidieren, wenn sie meinen, an diesem Überweg müssten auch die Radfahrer anhalten. Da aber nicht das blaue Schild Nr. 350 das Zeichen ist, das die Haltepflicht begründet, sondern die Markierung auf der Straße (Zeichen 293, der Zebrastreifen höchstselbst), und letztere auf dem Radweg nicht angebracht ist, ist dem wohl eher nicht so – Missverständnisse und Fehlverhalten sind vorprogrammiert. Davon betroffen sind auch die Kinder, sodass der Grund für die Anlage des Überwegs, die Schulwegsicherung, konterkariert wird.

Kreuzung mit Überweg
Blick aus dem All auf diese Kreuzung (Apple Maps)

Radfahrer sind sowieso nicht verpflichtet, diesen Radweg zu nutzen, was dazu führt, dass ein Teil auf dem roten Streifen fährt und der andere Teil auf dem Fahrdamm bleibt (wobei sie die Haltepflicht ebenso wie den Rest der Verkehrsregeln großzügig ignorieren). Autofahrer wiederum, die in die Perleberger Straße einbiegen wollen, müssen, um hinreichend Einblick auf die Kreuzung haben, so weit vorfahren, dass sie zwangsweise auf den Radwegmarkierungen stehen, was den Zorn mancher Radler hervorruft. Last but not least werden die üppig vergrößerten Bürgersteige auch gerne zum Parken genutzt, wenn sich sonst kein Parkplatz findet, manches Mal auch so, dass den Autofahrern die Sicht auf Fußgänger völlig genommen wird.

Meistens sind es immer wieder dieselben Autofahrer, die meinen, ihr Gefährt so parken zu dürfen.

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7 Antworten auf „Grüße aus Schilda“

  1. So hat das Straßenverkehrsamt immer wieder zu tun. Bin gespannt, was als nächstes kommt. Denn schlimmer geht immer: In Bari gibt es nur einen einzigen Radweg. Zebrastreifen werden von Autofahrern generell ignoriert. Geparkt wird auch direkt unter Parkverbotsschildern. Als Fußgänger muss man selbst sehen, dass man nicht überfahren wird.

  2. Bei den Zebrastreifen in Süditalien gilt: Nicht zögern, loslaufen! Dann hält der Autofahrer. Wenn man einfach dort rumsteht, könnte man ja auch die Absicht haben, dort zu übernachten, und es gäbe keinen Grund anzuhalten. In Apulien habe ich weniger Angst über den Zebrastreifen zu gehen als hier in Berlin.

  3. Die mit der …. Autonummer dürfen überall stehen und fahren wie es dem Diplomaten gefällt. Hoffentlich begleitet Dich der Schutzpatron Christophorus bei Deinen schweren Überquerungen in Moabit. Die Verkehrsplaner haben eine eigene Vorstellung vom Leben.

  4. Zur Verkehrsplanung kann ich nur gute Besserung wünschen.
    Neuerdings heißt es ja ganz offiziell Auto Fahrende, Rad Fahrende und, äh, Zu Fuß Gehende. Ist es dann nicht eigentlich der Zu-Fuß-Gehenden-Überweg, der von den rechts Abbiegenden und den falsch Parkenden —?
    (Weinend ab.)

    1. Ist das nicht grauenhaft? Waren der Ersatz von Studenten durch Studierende und der von Lehrlingen durch Auszubildende gerade noch so erträglich, wird es nun völlig lächerlich.

  5. ist ja wirklich ein Hohn…*Kopf schüttel*

    Trotz alledem haben die Rad-Fahrenden auf die zu Fuß-Gehenden aufzupassen! Immer noch die Pflicht des “stärkere ” im Straßenverkehr. mh…bringt zwar nix, wenn man dann als Fußmensch plötzlich ein Rad in den Rippen hat

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