Als Kaiser Wilhelm II. 1898 markig verkündete: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser!” und damit meinte, Deutschland brauche eine große Flotte auf Nordsee und Atlantik, waren die Wasserstraßenbauer im Inland schon lange aktiv und hatten den 1892 begonnenen Dortmund-Ems-Kanal schon fast fertig gebaut. Bis zu 4500 Arbeiter wurden während der siebenjährigen Bauzeit des Kanals eingesetzt, der das östliche Ruhrgebiet mit der Nordsee verbindet.
Die Planungen für die Wasserstraße reichen zurück bis ins Jahr 1856, als man begann, ein Kanalwegenetz zu entwerfen, um die wichtigsten Flüsse des Landes zu verbinden. Ziel war die Herstellung einer verkehrsgünstigen Anbindung des Dortmunder Hafens an die Nordseehäfen an Ems, Weser und Elbe, damit einerseits Kohle abtransportiert und andererseits ausländisches Eisenerz über die Nordsee zur Verhüttung in das Ruhrgebiet gebracht werden konnte. Das Saarland als konkurrierender Kohlestandort sperrte sich lange gegen diese Pläne.
Der Kanal überwindet auf einer Länge von 265 km einen Höhenunterschied von rund 70 Metern. Das wohl bekannteste, größte und schönste Wasserbauwerk, das zur Überwindung dieses Höhenunterschieds beiträgt, ist das alte Schiffshebewerk Henrichenburg. Es wurde nach zwei Jahren Bauzeit schon 1897 fertiggestellt, offiziell aber erst 1899 zusammen mit dem Kanal vom letzten deutschen Kaiser höchstselbst eingeweiht.
Sein Erscheinungsbild weist deutliche Merkmale seiner Entstehungszeit auf, denn es ist ein durch und durch wilhelminisches Bauwerk mit prachtvollen neobarocken Verzierungen. Die Brücke zwischen den beiden von Kugel und Lanze gekrönten Oberhaupttürmen trägt den preußischen Adler, und die Steuerkanzel auf der Unterhauptseite ist ebenfalls reich verziert.
Rund 14 Meter wurden die Schiffe auf das Wasserniveau des Dortmunder Hafens angehoben. Derweil der eigentliche Hubvorgang nur wenige Minuten brauchte, dauerte eine komplette Schleusung mit Ein- und Ausfahrt etwas mehr als eine halbe Stunde, so dass maximal etwa 40 Schiffe am Tag das Hebewerk passieren konnten. Schon 1914 wurde zusätzlich eine Sparschleuse errichtet, um den zunehmenden Verkehr bewältigen zu können.
Das technische Prinzip ist ein ganz anderes als beim rund 40 Jahre später entstandenen Schiffshebewerk Niederfinow, das mit großen Gegengewichten arbeitet, die das Gewicht des Trogs ausgleichen. In Henrichenburg machten sich die Konstrukteure hingegen das Prinzip des Auftriebs zunutze: unter dem rund 3600 Tonnen schweren Trog befinden sich fünf 33 Meter tiefe wassergefüllte Brunnen, in denen sich jeweils ein Schwimmer befindet. Diese Schwimmer tragen den Trog samt Schiff, und so reicht es aus, den Trog mit etwas mehr Wasser zu befüllen, um ihn absinken zu lassen, oder etwas Wasser aus dem Trog zu entfernen, um ihn aufsteigen zu lassen. In der Regel wurde der Wasserspiegel im Trog um drei Zentimeter gehoben oder gesenkt, was eine Gewichtsänderung von rund 17 Tonnen bewirkt. Um die Reibungskräfte der Führungen des Trogs zu überwinden, braucht man dann nur noch einen mit 150 PS vergleichbar schwachen Elektromotor, der über vier große Gewindespindeln den Trog in den feststehenden Muttern auf- und abwärts schraubt.
70 Jahre tat diese Technik ihren Dienst, bis sie 1969 stillgelegt und komplett durch das 1962 fertiggestellte neue Hebewerk mit wesentlich größerem Trog ersetzt wurde. Es nutzt das gleiche Prinzip des Auftriebs, hat aber nur zwei Brunnen, die jedoch viel größer sind. Das alte Hebewerk verfiel danach zusehends, erst die Entscheidung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, das Hebewerk als Standort des Westfälischen Industriemuseums aufzubauen, rettete dieses einmalige technische Denkmal schließlich vor dem weiteren Verfall und dem zwischenzeitlich drohenden Abriss.
Im ehemaligen Maschinenhaus zeigt das Museum heute eine Ausstellung über Geschichte und Funktion des Hebewerks. Neben altem und inzwischen ebenfalls stillgelegten neuen Hebewerk beherbergt der Schleusenpark Waltrop auch noch die stillgelegte alte Schleuse und – als heute einziges noch in Betrieb befindliches Wasserbauwerk – die große neue Schachtschleuse.
Am Hebewerk 2, 45731 Waltrop
02363 9707-0
www.lwl.org
Di-So 10-18h, Eintritt 3,50 €
Eine Mäkelei noch: Das neue Hebewerk hat nur zwei Schwimmer. Hier nachzulesen.
Danke, ich war mir nicht mehr ganz sicher. Ich hab’s korrigiert.
Ob ein oder zwei Schwimmer – egal. Gut gemachter und interessanter Bericht!
Danke für diesen interessanten Bericht mit den guten Fotos. Es liegt zwar in der Nähe, aber das Nahe ist oft am weitesten entfernt und muss mir erst ins Haus getragen werden.
Sehr hübsche Fotos!
In Schottland haben sie auch ein schönes Schiffshebewerk:
http://en.wikipedia.org/wiki/Falkirk_Wheel
Schön, so große Maschinen.
Ja, die mag ich auch, die großen Maschinen, wie z.B. diese hier.
Wenn Schottland nicht sowieso schon ein begehrtes Reiseziel für mich wäre, u.a. wegen Whisky, Haggis und Black und White pudding, dann spätestens jetzt. Auf zum Falkirk Wheel!
Schönes Stück Heimatkunde, dieser Beitrag!
Bild 1: Als ob der Kaiser selbst dort stünde…