Nur Weicheier fahren Autos mit Automatik, und nur Weicheier haben Kaffevollautomaten, wahre Männer wechseln die Gänge in ihrem Auto mit dem Schaltgetriebe, und eine glitzernd verchromte Siebträgermaschine mit Zweikreissystem ist die Zierde ihrer Küche. Locker investieren sie 1000 Euro und mehr, um sich als echter Barista zu fühlen. Dazu braucht es auch noch eine semiprofessionelle Kaffeemühle für weitere 400 Euro, einen schönen Tamper, mit dem man den gemahlenen Kaffee in den Siebträger zwängt, und eine Abschlagstation, damit man den Kaffeetrester auch wieder los wird. Alles prima Geräte, um die Küche jeden Tag aufs Neue in einen Saustall voller Kaffeemehl zu verwandeln.
Zugegeben, mein Kleinwagen verfügt zwar über ein Schaltgetriebe, ich bin aber trotzdem ein Weichei, denn in meiner Küche steht ein Kaffeevollautomat von Jura. Die hübsche Crema, die er auf den Espresso zaubert, ist mehr Schein als Sein, denn sie wird mit technischen Tricks erzeugt, aber der Espresso, den sie macht, ist trotzdem ganz ordentlich, wenn man die richtigen Bohnen nimmt. Normalerweise laufen diese Maschinen ohne Murren und präzise wie ein schweizerisches Uhrwerk, aber manchmal lassen selbst sie Teile ihres komplexen Innenlebens dem Versagen anheimfallen, selbst wenn man sie regelmäßig brav entkalkt und reinigt (auch ein teures Vergnügen). Nach dem Ausfall des Mahlwerks konnte bei meiner Impresa nicht mehr von Vollautomat die Rede sein, denn von nun an musste ich den Kaffee extern mahlen und das Mehl manuell einfüllen, was immerhin schon mal die Sauerei in der Küche annähernd in die Region des eigentlich den wahren Männern vorbehaltenen Siebträgergesamterlebnisses brachte.
Anfänglich spielte ich mit dem Gedanken, mich doch der Siebträgerfraktion zuzuwenden. Diverse Erkundigungen im Internet und beim lokalen Siebträgermaschinenvertrieb führten zu großer Ratlosigkeit und einer Entscheidungsblockade, bis es mir schließlich doch zu bunt wurde und der Entschluss in mir reifte, die gute alte Jura einer Reparatur zu unterziehen. Als die Maschine dann auch noch begann, an einer Art Obstipation zu leiden, war der Zeitpunkt gekommen durchzugreifen.
Jura bietet eine Reparatur zum Pauschalpreis an, aber das bedeutete, dass ich die Maschine hätte gut verpacken und mit DHL auf die Reise bringen müssen. Im Internet fand ich ein paar lokale Reparateure, kurzerhand wandte ich mich an den nächstgelegenen: Kaffeedrom auf dem Wedding, gleich nebenan. Dort wurde ich freundlich empfangen, man führte gleich eine Anamnese meiner Maschine durch, und nach einem Viertelstündchen wurde mir der Preis für die fällige Operation genannt. Wenige Tage später konnte ich die Maschine wieder in Empfang nehmen, und gekostet hat es auch noch ein paar Euro weniger als die Pauschale von Jura.
Jetzt mahlt sie wieder und der Espresso fließt.
Wären wir bei Qype und das vor Jahren, würde ich „gut geschrieben“ anklicken. Richtig gut geschrieben!
Sehr launig. Insbesondere die zeitweise offene Frage, wohin es denn in Sachen Entscheidung geht, hat mir gut gefallen. Zumal ich mich aus – piep wg. Eigenwerbung im weiteren Sinne – Gründen derzeit in der Moabiter Heimat auch mit dem Thema Kaffee etwas näher beschäftige. In dem Sinne: Hoch die Tassen. 😎
Tja, der Wedding rüstet auf. Wer hätte das gedacht eine Cimbali oder eine Jura kann in der Antwerpener Strasse repariert werden. Obwohl ich natürlich dachte, bei einem richtigen Kerl werden die Kaffeebohnen mit dem Mörser oder dem Hammer zermalen und das Benzin in den Motor mit dem Mund eingespritzt.
Sehr schöne Einleitung. 🙂
Diese Barista-Monster brauchen zum Aufheizen des Siebträgers gerne 30 Minuten, weswegen die Dinger oft den ganzen Tag eingeschaltet bleiben. Sehr unpraktisch. Da gehe ich für den guten Espresso lieber aus, dorthin, wo die Referenzklassemaschinen stehen, und koche mir zu Hause Mokka in einem gewöhnlichen alten Topf.
Gut, daß Du nicht übergelaufen bist! 🙂
Ich lasse schalten und koche Kaffee in einer ollen Bialetti. Und nu? Was sagt der Gender-Experte?
Total uncool. Aber dafür gibt’s bei dir sicher die passende Musik dazu.
Und dazu noch so hilfreich. Bei meiner Siebträgermaschine ist der Milchknopf beim Umzug kaputtgegangen. Mein Auto hat Schaltgetriebe, aber das habe ich ja nicht selbst ausgesucht.
*zaghaft melde* ich habe auch ne Siebträgermaschine.. was heißt das nun??
Rein rechnerisch heißt das zur Zeit, dass die echten Kerle Frauen sind.
Außer mir natürlich, ich bin wieder mal voll das Mädchen. Sogar meine Kaffeekanne ist ein Mädchen. Sie heißt Carmencita, ich liebe sie wie am ersten Tag.
Trinkt hier keiner mehr Filterkaffee? 🙂
Nur, wenn ich bei netten Leuten zu Besuch bin, die über einen Aromator verfügen.
Ich brauche jetzt nur noch eine Rösttrommel!Dann bin ich „richtig“ ausgerüstet – na ja, dann muß ich mir wohl noch ein paar Kaffeplantagen zulegen.
„Rösttrommeln“, der Begriff gefällt mir. Rösttrommeln fehlen noch in Moabit.
Dafür haben wir mindestens eine Kaffeerösterei: das Fiaker (mit Prenzlberg-Feeling in Moabit-Süd), in dem man den besten Cappuccino weit und breit bekommt.
Kafferöster(maschinen) gibt es auch für den selbströstenden Barista. Der Röstprozeß ist mit starkem Geruch verbunden, so daß vielfach empfohlen wird, im Freien zu rösten – dann hat auch der Nachbar etwas davon.
Der Geruch ist wirklich nicht fein, ein Kaffeegeschäft in Moabit hat diesen anrüchigen Teil des Geschäfts nach Klagen der Nachbarn bereits einstellen müssen.
Ali ist der Beste!!!