Anlässlich der Berlin Restaurant Week 2015 sind wir heute Abend mal kurz zu den Nachbarn in den Wedding gereist und wollten uns einen schönen Abend im italienischen Restaurant Parma di Vinibenedetti machen. Das Restaurant ist sehr schön gestaltet und im Tresen liegen sehr hübsch anzusehende und appetitanregende Wurstwaren.
Ein Platz war schnell gefunden, um 19 Uhr war es auch noch nicht voll. Bei der Reservierung hatte ich mitgeteilt, dass wir gerne das 3-Gänge-Menü für 20 € essen wollten, das auf der Homepage der Berlin Restaurant Week wie folgt angekündigt war:
—— Vorspeise ——
Pulpo a la gallega con patatas
Oktopus mit Paprikapulver, Kartoffeln und Öl
oder
Ensalada de Campo
Kartoffeln, Zwiebeln, Kapern, Bohnen, Paprika, Öl
—— Hauptgericht ——
Pasta all’aglio
Spaghetti mit Pesto aus Knoblauch, Pinienkernen, Basilikum und Öl
oder
Pizza vegan
mit Paprika, Spinat, Zucchini, Aubergine
oder
Pizza vegetarisch
mit Gemüse und Mozzarella
oder
Pizza al prosciutto di Parma
30 Monate gereifter Parmaschinken
—— Nachspeise ——
Schinken und Lardo
oder
Käseteller mit Brot
Eine gleichlautende Speisekarte lag mit der Überschrift „Dreigängemenü“ auch auf den Tischen aus. Wir bestellten, wie es bei einem Dreigängemenü üblich ist, beim freundlichen Kellner aus jedem Segment jeweils ein Gericht. Etwas später vernahmen wir erstaunt, dass der Kellner vom Chef eine Lektion erteilt bekam (gut, wenn man Italienisch versteht), wie das Dreigängemenü zu interpretieren sei: Aus den Gerichten unter dem Titel „Dreigängemenü“ dürfe man pro Person jeweils zwei auswählen, aus Generosität könne man anschließend ein Dolce oder einen Limoncello bekommen. Der arme Kellner wurde dann an unseren Tisch zurückgeschickt, um uns diese Auffassung des Chefs über ein Dreigängemenu kundzutun, was ihm sichtlich unangenehm war.
Als wir uns über die Ansage des Chefs irritiert zeigten, kam er selbst an den Tisch, um uns – reichlich unverschämt – zu fragen, ob wir denn so hungrig seien. Allen Argumenten, dass seine Interpretation dieses Dreigängemenüs – milde gesagt – zu Missverständnissen Anlass gebe und es besser wäre, die ausliegende Karte entsprechend zu korrigieren, bevor es mit anderen Besuchern zu ähnlichen Diskussionen käme, war er nicht zugänglich und erklärte, er sei jetzt 41 Jahre alt und würde nichts mehr hinzulernen wollen oder können. Zu diesem Zeitpunkt hätten wir das Lokal besser verlassen sollen.
Stattdessen fügten wir uns in unser Schicksal, verzichteten auf den dritten Gang aus dem Menü und freuten uns auf ein leckeres Essen. Auch dass die Vorspeisen nicht gleichzeitig kamen und das Brot erst, als sie schon fast aufgegessen waren, verdarb uns nicht die Laune – wir finden, Italiener dürfen schon mal desorganisiert sein. (Später erfuhren wir, dass an einem Nachbartisch die Vorspeisen lange nach dem Hauptgericht und erst auf Nachfrage serviert wurden.) Meine Ensalada de Campo war sehr schön zusammengestellt, leider waren, um das Gericht perfekt zu machen, die Kartoffeln zu kalt und etwas lasch. Der Polpo a la gallega con patatas, den die Lieblingszicke hatte, roch zwar oktopusuntypisch etwas sehr fischig, war aber ansonsten sehr gut, sehr zart und auf warmen, gut gewürzten Kartoffeln gebettet.
Auch unsere Hauptgerichte kamen nicht gleichzeitig, meine Pizza al prosciutto di Parma war aber ohne Fehl und Tadel und der Schinken wirklich fein. Als ich die Pizza bereits halb aufgegessen hatte, kam schließlich auch die Pasta all’aglio. Bei – gemäß Beschreibung – Spaghetti mit Pesto aus Knoblauch, Pinienkernen, Basilikum und Öl erwartet man grünen Pesto, es kam stattdessen eine Salsa überwiegend aus Tomatenstückchen, Knoblauch, ganzen Pinienkernen und ein paar kleingerupften Basilikumblättern. Gemörsert war da nichts, Pesto geht anders. Darauf angesprochen, meinte der Kellner, das sei kein Pesto aus dem Glas, sondern ein frisch gemachter – wie in Sizilien. Noch größer war die Überraschung, als sich herausstellte, dass die Nudeln kalt waren. Auch dazu hatte der Kellner eine Erklärung: Das sei ein Sommergericht und würde kalt gegessen. Uns sind zwar von vielen Aufenthalten in Italien warme (!) Nudeln mit kalter Soße durchaus geläufig, aber dass die Nudeln mit dem angeblichen Pesto kalt serviert würden, war völlig unerwartet und hätte einer Erwähnung in der Karte oder zumindest bei der Bestellung bedurft. Und die Nudeln waren nicht nur kalt, sondern auch vollkommen zerkocht, von „al dente“ keine Spur. Das Gericht taugte uns schlicht nicht und ging nach zwei, drei Gabeln zurück in die Küche. Vom Chef bekamen wir dann aus dem Hintergrund zu hören, diese Gäste seien doch wohl nur gekommen, um zu meckern.
Zum Abschluss gab es als „dritten Gang“ dann noch ein Stück Apfelkuchen (crostata), der war ganz in Ordnung. Als uns der Kellner nach dem Bezahlen mit „A la prossima“ verabschiedete und wir entgegneten, dass es für uns wohl kein nächstes Mal geben würde, ergoss der Chef aus der Küche noch einen heftigen Redeschwall in unsere Richtung, den ich aber nicht mehr hören wollte.
Ich kann verstehen, dass die Kalkulation mit 20 € für drei normal große Portionen für den Wirt sehr wahrscheinlich ein Zuschussgeschäft bedeutet. Aber es ist ja nicht so, dass ich bei einem Dreigängemenu für 20 € bei jedem Gang riesige Mengen erwarte, es reicht ja, jeweils eine kleine Portion zu essen, um Appetit auf mehr zu bekommen – das scheint mir überhaupt der Sinn der Restaurant Week zu sein. Außerdem hatte der Wirt sicher genügend Zeit, ein Menü aus drei Gängen zusammenzustellen, das ihn finanziell nicht ruinieren würde. Aber erst ein Versprechen zu publizieren und es dann, wenn der Gast am Tisch sitzt, zurückzunehmen, das geht gar nicht. Darüber hinaus ist das Sozialverhalten des Chefs unprofessionell – der Mann kann sicher alles mögliche machen, aber als Gastwirt ist er fehl am Platz. Mein enttäuschendster Restaurantbesuch in den letzten zwanzig Jahren.

Das ist sehr unschön und sollte auch an die Organisatoren der Berlin Restaurant Week weitergegeben werden.
Ja, aber bei denen kann man – auch im Blog – nicht kommentieren, jedenfalls dann nicht, wenn man den ersten Kommentar schreiben möchte.
Die Kommentarfunktion ist dort (angeblich wegen hohen Spam-Aufkommens, gegen das es ja sehr gut funktionierende technische Maßnahmen gibt) abgeschaltet; ansonsten wünschten mir die Organisatoren der Berlin Restaurant Week, die den Chef „immer als sehr netten und umgänglichen Menschen kennengelernt“ haben, dass mein Unmut bald verfliegen möge …
Mir gefällt, dass Du auf den Missstand hinweist. Selten genug macht jemand nach der Aneinanderreihung derartiger Unverschämtheiten den Mund auf.
Ich finde, du hast den Bericht sehr sachlich und objektiv geschrieben. Darüber können die noch froh sein.
Eigentlich war schon die Sache mit der Karte und dem „zweigängigen“ Dreigängemenü eine Frechheit und Irreführung der Gäste und die schlampige Bedienung zeugt auch von allem anderen als Respekt für den Gast. Mit so einer Aktion sollte man eigentlich neue Kundschaft gewinnen, aber auf diese Art wird das wohl nichts werden.
Ja, das Traurige ist, dass seine Wurstwaren (ich hatte ja den Schinken auf der Pizza, und habe den Lardo, der uns wegen der Reduktion auf zwei Gänge entgangen ist, am Nebentisch gesehen) sehr gut sind.